Wie hoch ist derzeit die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne?

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Die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne ist seit dem Jahr 2000 von zwölf auf acht Sekunden gesunken. Diese soziale Beschleunigung führt zu flüchtigerem Konsum von Inhalten und schnellerem Vergessen. Dadurch wird nachhaltiges Lernen und tiefgehendes Verständnis erschwert.

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Die schwindende Aufmerksamkeit: Wie viel Zeit haben wir noch?

Die Behauptung, die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne sei auf acht Sekunden gesunken – kürzer als die eines Goldfisches – geistert seit Jahren durch das Internet. Doch wie valide ist diese Aussage? Die Wahrheit ist komplexer, als ein einfacher Zahlenwert suggeriert.

Der oft zitierte Rückgang von zwölf auf acht Sekunden basiert auf einer Studie von Microsoft aus dem Jahr 2015. Diese Studie, die erhebliche Kritik für ihre Methodik erfuhr, konzentrierte sich primär auf den digitalen Konsum. Sie untersuchte, wie lange Probanden sich auf digitale Inhalte konzentrieren konnten, bevor ihre Aufmerksamkeit abschweifte. Die Studie vernachlässigt jedoch entscheidende Faktoren wie den Kontext, den individuellen Fokus und die Art der dargebotenen Informationen.

Ein Goldfisch als Vergleichsmaßstab ist zudem irreführend. Die Aufmerksamkeitsspanne eines Goldfisches wird in der wissenschaftlichen Literatur nicht einheitlich definiert und ist schwer zu messen. Der Vergleich dient vor allem der plakativen Veranschaulichung eines Problems, das – obwohl real – durch die vereinfachende Darstellung verzerrt wird.

Tatsächlich gibt es keine einzige, universell gültige Zahl für die durchschnittliche Aufmerksamkeitsspanne. Sie variiert stark abhängig von Alter, Kontext, Aufgabe und individuellen Faktoren wie Schlafentzug, Stresslevel und Vorerkrankungen. Kinder haben beispielsweise eine deutlich kürzere Aufmerksamkeitsspanne als Erwachsene. Eine anspruchsvolle Aufgabe erfordert mehr Konzentration als eine triviale.

Was sich jedoch zweifelsfrei beobachten lässt, ist eine Veränderung unseres Informationskonsums. Die Flut an digitalen Reizen und die ständige Verfügbarkeit von Informationen über Smartphones und soziale Medien führen zu einem fragmentierten und oberflächlichen Umgang mit Inhalten. Wir springen schneller zwischen verschiedenen Aufgaben und Informationsquellen hin und her, was zu einer verringerten Fähigkeit, sich intensiv und langfristig mit einem Thema auseinanderzusetzen, beiträgt.

Anstatt von einer schwindenden Aufmerksamkeitsspanne an sich, sollten wir von einer veränderten Aufmerksamkeitspraxis sprechen. Unsere Fähigkeit zur fokussierten Aufmerksamkeit, der sogenannten “sustained attention”, kann durch Training verbessert werden. Methoden wie Mindfulness-Übungen oder bewusstes Abschalten von digitalen Geräten fördern die Konzentration und das tiefere Verstehen von Informationen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Aussage über eine achtsekündige Aufmerksamkeitsspanne ist eine vereinfachte Darstellung eines komplexen Phänomens. Die tatsächliche Aufmerksamkeitsspanne ist individuell sehr unterschiedlich und weniger relevant als die zunehmende Fragmentierung unseres Informationskonsums und die damit einhergehende Herausforderung, nachhaltiges Lernen und tiefes Verständnis zu gewährleisten. Die Lösung liegt nicht in der Jagd nach einer magischen Zahl, sondern in der bewussten Gestaltung unserer Informationsumgebung und der Entwicklung von Strategien, um unsere Aufmerksamkeit effektiv zu steuern.