Warum merke ich Alkohol nicht?

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Eine Alkoholunverträglichkeit führt zu erhöhten Acetaldehyd-Werten im Körper. Der Alkohol wird schneller zu diesem Zwischenprodukt abgebaut, was die unangenehmen Symptome nach dem Alkoholkonsum verstärkt.

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Warum merke ich Alkohol nicht? Ein komplexes Zusammenspiel von Faktoren

Die Frage, warum manche Menschen die Wirkung von Alkohol scheinbar nicht oder nur minimal spüren, ist komplex und lässt sich nicht mit einer einzigen Antwort beantworten. Der oft zitierte Hinweis auf eine “Alkoholunverträglichkeit” greift zu kurz, denn diese beschreibt primär die unangenehmen körperlichen Reaktionen auf Alkohol, nicht das Ausbleiben der Rauschwirkung. Ein fehlender Rausch kann verschiedene Ursachen haben, die oft miteinander verwoben sind:

1. Genetische Faktoren und Enzymmuster: Die Geschwindigkeit, mit der der Körper Alkohol abbaut, ist genetisch bedingt. Das Enzym Alkoholdehydrogenase (ADH) wandelt Alkohol zunächst in Acetaldehyd um. Varianten des ADH-Gens beeinflussen die Effizienz dieses Prozesses. Ein besonders effizientes ADH führt zu einem schnelleren Abbau von Alkohol, was die Konzentration des berauschenden Wirkstoffs im Blut reduziert und somit den Rausch abschwächt oder verhindert. Auch das Enzym Aldehyddehydrogenase (ALDH), welches Acetaldehyd weiter abbaut, spielt eine entscheidende Rolle. Eine verminderte ALDH-Aktivität führt zu einem Anstieg des Acetaldehyds, was zwar zu den bekannten Unverträglichkeits-Symptomen (Übelkeit, Kopfschmerzen, Rötung) führt, aber nicht zwangsläufig den Rausch verhindert. Es ist also ein komplexes Zusammenspiel beider Enzyme und deren individuellen Varianten, das die Wirkung von Alkohol bestimmt.

2. Gewöhnung und Toleranzentwicklung: Chronischer Alkoholkonsum führt zu einer Toleranzentwicklung. Der Körper passt sich an die regelmäßige Alkoholzufuhr an, indem er die Alkoholmetabolismus-Enzyme verstärkt produziert. Dadurch wird Alkohol schneller abgebaut, und eine höhere Menge ist nötig, um die gleiche Wirkung zu erzielen. Diese Toleranzentwicklung ist gefährlich, da sie zu einem erhöhten Alkoholkonsum und einer Abhängigkeit führen kann. Jemand, der schon lange und regelmäßig Alkohol trinkt, kann daher einen scheinbar “höheren Widerstand” gegen die Rauschwirkung entwickeln, obwohl er in Wirklichkeit eine erhöhte Abhängigkeit und ein erhöhtes Risiko für gesundheitliche Schäden hat.

3. Körpergewicht und Körperzusammensetzung: Leichte Personen mit einem niedrigeren Körperwasseranteil erreichen schneller höhere Blutalkoholkonzentrationen als schwerere Personen mit einem höheren Körperwasseranteil. Der Alkohol verteilt sich im Körperwasser, und ein geringerer Anteil bedeutet eine höhere Konzentration im Blut – und damit eine stärkere Wirkung.

4. Geschlecht: Frauen haben im Durchschnitt einen niedrigeren Körperwasseranteil und einen langsameren Alkoholstoffwechsel als Männer. Daher erreichen sie bei gleicher Alkoholdosis oft höhere Blutalkoholkonzentrationen und erleben die Wirkung intensiver. Der Umkehrschluss – Frauen bemerken die Wirkung weniger – trifft jedoch nicht zu.

5. Medikamenten- und Drogenwechselwirkungen: Bestimmte Medikamente oder Drogen können den Alkoholstoffwechsel beeinflussen und die Wirkung von Alkohol verstärken oder abschwächen. Diese Interaktionen sind individuell sehr unterschiedlich und sollten immer mit einem Arzt besprochen werden.

6. Psychische Faktoren: Die subjektive Wahrnehmung der Alkoholisierung ist stark von individuellen Erwartungen und der Stimmung beeinflusst. Ein Placebo-Effekt kann dazu beitragen, dass die Wirkung von Alkohol unterschätzt oder überschätzt wird.

Es ist wichtig zu betonen, dass ein scheinbar geringeres Empfinden für Alkohol keine Immunität gegen dessen schädliche Folgen bedeutet. Ein geringer Rausch kann dennoch zu Schäden an Organen, dem Nervensystem und der Psyche führen. Wer den Eindruck hat, Alkohol kaum zu spüren, sollte unbedingt ärztlichen Rat suchen, um die individuellen Risikofaktoren abzuklären und mögliche gesundheitliche Probleme frühzeitig zu erkennen.