Wie viel Prozent macht Genetik aus?

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Genetische Gemeinsamkeiten prägen unser Wesen zu 99 Prozent. Die verbleibenden 1% beeinflussen Aussehen, Krankheitsanfälligkeit und Risikobereitschaft. Diese individuelle genetische Variation ist entscheidend für unsere Unterschiede.

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Wie viel Prozent macht Genetik aus? Ein differenzierter Blick

Die Aussage, dass Menschen genetisch zu 99 Prozent identisch sind, ist weit verbreitet. Sie vermittelt den Eindruck einer fast vollständigen genetischen Gleichheit und legt den Fokus auf das eine Prozent Unterschied, das uns scheinbar einzigartig macht. Doch dieser vereinfachte Blick greift zu kurz und bedarf einer differenzierten Betrachtung.

Zunächst ist die Zahl 99% an sich schon diskussionswürdig. Vergleicht man die reine DNA-Sequenz zweier Menschen, so stimmt diese tatsächlich zu einem sehr hohen Prozentsatz überein. Allerdings kommt es nicht nur auf die Abfolge der Basenpaare an, sondern auch auf deren räumliche Anordnung, die epigenetische Modifikation und die Interaktion der Gene untereinander und mit der Umwelt. Berücksichtigt man diese Faktoren, reduziert sich die genetische Übereinstimmung deutlich.

Weiterhin ist die Frage, mit wem wir verglichen werden, entscheidend. 99% genetische Übereinstimmung bezieht sich in der Regel auf den Vergleich zweier Menschen. Vergleicht man uns mit einem Schimpansen, liegt die Übereinstimmung bei etwa 96%, mit einer Maus bei etwa 85%. Je weiter entfernt die Verwandtschaft, desto geringer die genetische Ähnlichkeit.

Die Bedeutung des “verbleibenden Prozents” darf jedoch nicht unterschätzt werden. Dieses vermeintlich kleine eine Prozent, oder genauer gesagt, die wenigen Millionen Basenpaare, die uns von anderen Menschen unterscheiden, sind verantwortlich für eine enorme Vielfalt an Merkmalen. Dazu gehören:

  • Äußerliche Merkmale: Haut-, Haar- und Augenfarbe, Körpergröße, Gesichtszüge.
  • Physiologische Merkmale: Stoffwechsel, Hormonhaushalt, Anfälligkeit für bestimmte Krankheiten.
  • Verhaltensmerkmale: Temperament, Persönlichkeitsmerkmale, kognitive Fähigkeiten.

Es ist wichtig zu betonen, dass die meisten dieser Merkmale nicht durch einzelne Gene, sondern durch das komplexe Zusammenspiel vieler Gene und Umweltfaktoren bestimmt werden. Die Genetik liefert die Grundlage, die Umwelt prägt die Ausprägung. So kann beispielsweise eine genetische Prädisposition für Übergewicht durch eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung kompensiert werden.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Aussage “99% genetische Übereinstimmung” zwar einen interessanten Anhaltspunkt bietet, aber die Komplexität genetischer Einflüsse vereinfacht darstellt. Der Fokus sollte nicht allein auf der prozentualen Übereinstimmung liegen, sondern auf dem Verständnis des komplexen Wechselspiels zwischen Genen, Umwelt und epigenetischen Faktoren, das unsere Individualität prägt. Es ist diese Kombination, die uns zu dem macht, was wir sind.