Wieso macht Alkohol wach?

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Alkohol beeinflusst die Gehirnfunktionen zunächst hemmend, indem er an spezifische Nervenzellrezeptoren andockt. Diese Rezeptoren werden auch von Beruhigungsmitteln genutzt. Der anfängliche Entspannungseffekt kann jedoch täuschen und die Schlafarchitektur erheblich stören.

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Der trügerische Wachmacher: Warum Alkohol paradoxerweise wach halten kann

Alkohol gilt gemeinhin als Schlafmittel. Ein Glas Wein am Abend, ein Bier vor dem Fernseher – viele greifen zu alkoholischen Getränken, um zur Ruhe zu kommen. Doch die Erfahrung zeigt: Alkohol kann auch paradoxe Effekte hervorrufen und zu Schlaflosigkeit oder einem unruhigen Schlaf führen. Warum also macht Alkohol, der eigentlich dämpfend wirkt, manche Menschen sogar wach? Die Antwort ist komplex und liegt in der vielschichtigen Interaktion von Alkohol mit dem zentralen Nervensystem.

Der anfängliche, entspannende Effekt von Alkohol beruht auf seiner hemmenden Wirkung auf das Gehirn. Alkoholmoleküle docken an verschiedene Rezeptoren im Gehirn an, darunter GABA-Rezeptoren, die für die Hemmung neuronaler Aktivität verantwortlich sind. Diese Bindung verstärkt die hemmende Wirkung von GABA, was zu einer Reduktion der neuronalen Aktivität führt – man fühlt sich entspannt, müde, und die Hemmschwelle sinkt. Dieser Mechanismus ähnelt der Wirkung von Benzodiazepinen, also Beruhigungs- und Schlafmitteln.

Jedoch ist dieser anfängliche Entspannungseffekt nur ein Teil der Geschichte. Die Wirkung von Alkohol ist nicht linear und verläuft phasenweise. Während der Abbauprozess des Alkohols im Körper beginnt, verändert sich das neuronale Gleichgewicht erheblich. Der Körper versucht, den durch Alkohol verursachten Ungleichgewicht auszugleichen, was zu einer Reihe von Gegenreaktionen führt.

Ein wichtiger Faktor ist die Störung der Schlafarchitektur. Alkohol verkürzt die REM-Schlafphasen, die für die Verarbeitung von Emotionen und die Konsolidierung von Erinnerungen essentiell sind. Dieser Mangel an erholsamem REM-Schlaf führt zu einer reduzierten Schlafqualität, obwohl man vielleicht zunächst einschläft. Die Folge: Man wacht nachts häufiger auf, fühlt sich morgens unausgeschlafen und müde, obwohl man scheinbar ausreichend geschlafen hat.

Darüber hinaus beeinflusst Alkohol die Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter. Er kann beispielsweise die Ausschüttung von Noradrenalin und Dopamin beeinflussen, die mit Wachheit und Erregung assoziiert sind. Diese Schwankungen im Neurotransmitterhaushalt tragen zur Unruhe und Schlaflosigkeit bei und können zu einem unruhigen Schlaf mit häufigen Wachphasen führen. Auch die Hemmung der Melatoninproduktion, ein wichtiges Schlafhormon, trägt zu den Schlafstörungen bei.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Ob Alkohol schläfrig oder wach macht, hängt von verschiedenen Faktoren ab, darunter die Menge des konsumierten Alkohols, die individuelle Veranlagung, der Zeitpunkt des Konsums und weitere Begleitumstände. Der anfängliche Entspannungseffekt ist trügerisch und kann durch die Störung des Schlafrhythmus und das Ungleichgewicht im Neurotransmitterhaushalt in Schlaflosigkeit und einem unruhigen, wenig erholsamen Schlaf umkippen. Alkohol sollte daher nicht als zuverlässiges Schlafmittel betrachtet werden.