Wie herum dreht sich das Wasser im Abfluss am Äquator?

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Am Äquator ist die Corioliskraft minimal, daher dreht sich das Wasser im Abfluss weder links- noch rechtsherum. Die Drehrichtung wird primär durch die Form des Abflusses, die bereits vorhandene Rotation des Wassers und die Richtung des letzten Wasserstroms bestimmt. Es gibt keine einheitliche Drehrichtung. Geringe Zufälligkeiten entscheiden die Rotationsrichtung.
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Der Mythos vom Abfluss am Äquator: Dreht sich das Wasser andersherum?

Ein hartnäckiger Mythos besagt, dass sich das Wasser im Abfluss auf der Nordhalbkugel immer im Uhrzeigersinn und auf der Südhalbkugel immer gegen den Uhrzeigersinn dreht. Am Äquator, so die Legende, würde das Wasser gar nicht rotieren oder gar in beide Richtungen gleichzeitig abfließen. Dieses vermeintliche Phänomen wird gerne der Corioliskraft zugeschrieben, einer Trägheitskraft, die durch die Erdrotation entsteht und tatsächlich Einfluss auf großräumige Bewegungen wie Meeresströmungen und Winde hat. Doch im kleinen Maßstab eines Waschbeckens spielt sie eine verschwindend geringe Rolle. Die Wahrheit ist: Am Äquator verhält sich das Wasser im Abfluss nicht anders als anderswo auf der Welt.

Die Corioliskraft ist proportional zur Geschwindigkeit des bewegten Objekts und zum Sinus des Breitengrades. Am Äquator, wo der Breitengrad 0° ist, ist der Sinus ebenfalls 0, und somit ist die Corioliskraft minimal. Sie ist schlichtweg zu schwach, um die Drehrichtung des Wassers im Abfluss nennenswert zu beeinflussen. Selbst in höheren Breitengraden ist ihr Einfluss im Vergleich zu anderen Faktoren vernachlässigbar.

Welche Faktoren bestimmen dann die Drehrichtung? Die entscheidenden Einflussgrößen sind die Geometrie des Abflusses, die bereits vorhandene Rotation des Wassers beim Einfüllen und die Richtung des letzten Wasserstroms vor dem Ablaufen. Kleinste Unebenheiten im Becken, die Neigung des Abflussrohres oder sogar ein minimaler Dreh beim Einfüllen des Wassers können die Rotationsrichtung vorgeben. Es handelt sich also um einen chaotischen Prozess, bei dem geringe Zufälligkeiten die Oberhand gewinnen.

Stellen Sie sich vor, Sie füllen ein Waschbecken mit Wasser. Schon beim Einfüllen kann eine leichte Drehbewegung entstehen, die sich bis zum Abfluss fortsetzt. Auch die Form des Beckens spielt eine Rolle: Ist das Becken asymmetrisch, kann das Wasser beim Ablaufen in eine bestimmte Richtung gelenkt werden. Selbst die letzte Bewegung Ihrer Hand beim Entfernen des Stöpsels kann den entscheidenden Impuls geben.

Um den Mythos zu widerlegen, wurden zahlreiche Experimente durchgeführt. Forscher haben sowohl am Äquator als auch in anderen Breitengraden Wasser in identischen Behältern ablaufen lassen und die Drehrichtung beobachtet. Das Ergebnis: Es gab keine einheitliche Drehrichtung, weder am Äquator noch sonst wo. Das Wasser drehte sich mal linksherum, mal rechtsherum, scheinbar zufällig.

Der Glaube an die Corioliskraft im Waschbecken ist ein gutes Beispiel dafür, wie sich hartnäckig Mythen halten können, selbst wenn sie wissenschaftlich widerlegt sind. Die Vorstellung, dass die Erdrotation einen so direkten und sichtbaren Einfluss auf unseren Alltag hat, ist zwar faszinierend, entspricht aber nicht der Realität. Die Drehrichtung des Wassers im Abfluss ist ein lokales Phänomen, das von vielen kleinen Faktoren beeinflusst wird, die Corioliskraft spielt dabei keine nennenswerte Rolle. Es ist also reine Zufall, in welche Richtung sich das Wasser dreht, egal wo auf der Welt man sich befindet. Das gilt am Nordpol genauso wie am Südpol und natürlich auch am Äquator.