Kann der Zeitwert einer Option negativ sein?

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Der intrinsische Wert einer Option reflektiert ihren unmittelbaren Nutzen, während der Zeitwert das Potenzial zukünftiger Wertsteigerungen repräsentiert. Letzterer kann bis zum Verfallstag schrumpfen, erreicht aber niemals negative Werte. Er repräsentiert stets einen potenziellen, wenn auch möglicherweise geringen, Gewinn.

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Kann der Zeitwert einer Option negativ sein? Ein genauerer Blick

Die Aussage, der Zeitwert einer Option könne niemals negativ sein, ist weit verbreitet und im Kern richtig, bedarf aber einer differenzierten Betrachtung. Der oft zitierte Satz, der Zeitwert schwinde bis zum Verfallstag, aber bleibe immer positiv, verdeckt eine subtile Nuance, die Missverständnisse hervorrufen kann.

Der intrinsische Wert einer Option repräsentiert den unmittelbaren Gewinn, den man erzielen könnte, wenn man die Option sofort ausüben würde. Eine Kaufoption (Call) beispielsweise hat einen intrinsischen Wert, wenn der aktuelle Kurs des Basiswerts über dem Ausübungspreis liegt. Analog dazu hat eine Verkaufsoption (Put) einen intrinsischen Wert, wenn der aktuelle Kurs unter dem Ausübungspreis liegt. Der intrinsische Wert ist immer größer oder gleich Null.

Der Zeitwert hingegen repräsentiert den zusätzlichen Wert, der durch die verbleibende Zeit bis zum Verfall der Option entsteht. Er spiegelt die Chance wider, dass der Kurs des Basiswerts sich bis zum Verfall so entwickelt, dass der intrinsische Wert steigt. Dieser Zeitwert sinkt mit jeder verstreichenden Zeit, da die Wahrscheinlichkeit für eine günstige Kursentwicklung abnimmt.

Die Aussage, der Zeitwert sei niemals negativ, bezieht sich auf den buchhalterischen Wert der Option. Der Preis einer Option setzt sich aus dem intrinsischen Wert und dem Zeitwert zusammen. Da der Preis einer Option immer positiv (oder maximal Null) ist und der intrinsische Wert ebenfalls immer positiv oder Null ist, muss der Zeitwert rein rechnerisch mindestens so hoch sein, wie der negative Wert des intrinsischen Wertes, um einen Gesamtwert von mindestens Null zu erreichen. Ein negativer Zeitwert ist also rein mathematisch unmöglich, solange man den gesamten Optionspreis betrachtet.

Allerdings kann man den Zeitwert in einem relativen Sinne als negativ interpretieren. Wenn der Marktpreis einer Option unter dem rechnerischen Zeitwert liegt, den man durch geeignete Bewertungsmodelle (z.B. Black-Scholes) erhalten würde, könnte man argumentieren, dass der implizite Zeitwert “negativ” ist im Vergleich zu den Erwartungen des Modells. Dies deutet auf eine Markteffizienz-Anomalie oder eine Fehlbewertung hin. Der tatsächlich bezahlte Preis bleibt aber immer positiv.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Der Zeitwert einer Option kann nicht buchhalterisch negativ sein, da dies den Preis der Option negativ machen würde, was unmöglich ist. Jedoch kann man von einem “negativen” Zeitwert im Sinne einer Unterbewertung im Vergleich zu gängigen Bewertungsmodellen sprechen. Diese Interpretation erfordert jedoch eine klare Abgrenzung und sollte nicht mit einem tatsächlich negativen Wert verwechselt werden. Die Unterscheidung zwischen buchhalterischem und implizitem Zeitwert ist essentiell für ein korrektes Verständnis der Optionspreisbildung.