Ist kratzen eine Zwangsstörung?
Hautkratzen, auch Dermatillomanie genannt, gilt seit einigen Jahren als psychische Belastung. Ursprünglich den Zwangsstörungen zugeordnet, wird es nun auch als körperbezogene, repetitive Verhaltensstörung betrachtet. Schätzungen zufolge erleben 1,4 bis 5,2 Prozent der Deutschen im Laufe ihres Lebens diese Problematik, wobei Frauen häufiger betroffen sind.
Hautkratzen: Zwangsstörung oder mehr? Ein differenzierter Blick auf die Dermatillomanie
Hautkratzen, genauer die Dermatillomanie, ist weit mehr als ein nervöses Angewohnheit. Während sie lange Zeit primär im Kontext von Zwangsstörungen diskutiert wurde, zeichnet sich heute ein differenzierteres Bild ab. Obwohl Überschneidungen bestehen und die Erscheinungsformen ähnlichkeiten mit Zwangsstörungen aufweisen, wird Dermatillomanie zunehmend als eigenständige körperbezogene, repetitive Verhaltensstörung (KRBV) betrachtet. Die Zuordnung zu einer spezifischen Kategorie ist komplex und hängt von den individuellen Symptomen und dem Verlauf ab.
Die Gemeinsamkeit mit Zwangsstörungen liegt in dem unbändigen Drang, ein bestimmtes Verhalten auszuführen. Bei der Dermatillomanie ist dies das Kratzen, Picken, oder Reiben der Haut, oft bis zur Selbstverletzung. Dieser Impuls kann mit intensiven, unangenehmen Gefühlen verbunden sein, die durch das Kratzen kurzfristig gelindert werden. Ähnlich wie bei Zwangsstörungen, versuchen Betroffene oft, das Verhalten zu kontrollieren, scheitern aber meistens an der überwältigenden Intensität des Drangs. Die folgenden Hautläsionen verstärken oft den Kreislauf aus Unbehagen, Kratzen und Schuldgefühlen.
Doch entscheidende Unterschiede zu klassischen Zwangsstörungen bestehen. Während bei Zwangsstörungen meist gedankliche Obsessionen (z.B. Angst vor Keimen) im Vordergrund stehen, die durch Zwangshandlungen (z.B. exzessives Händewaschen) neutralisiert werden sollen, steht bei der Dermatillomanie die körperliche Handlung selbst im Zentrum. Die gedanklichen Komponenten, wie z.B. die Wahrnehmung von Hautunreinheiten, spielen eine untergeordnete Rolle, können aber als auslösende Faktoren beitragen.
Die Diagnose einer Dermatillomanie erfolgt durch eine fachärztliche Untersuchung, idealerweise durch einen Psychiater oder Hautarzt. Eine genaue Anamnese und die Differenzierung von anderen Hautkrankheiten sind wichtig. Die Behandlung setzt oft auf eine Kombination aus psychotherapeutischen Ansätzen, wie kognitiver Verhaltenstherapie (KVT) und Akzeptanz- und Commitment Therapie (ACT), und gegebenenfalls supplementaren Maßnahmen. Ziel ist nicht nur die Reduktion des Kratzens, sondern auch die Bearbeitung der zugrundeliegenden emotionalen und psychischen Belastungen.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Obwohl Ähnlichkeiten zu Zwangsstörungen bestehen, ist Dermatillomanie keine Zwangsstörung im engeren Sinne, sondern wird als eigenständige körperbezogene, repetitive Verhaltensstörung eingeordnet. Eine professionelle Diagnose und eine passgenaue Therapie sind entscheidend für eine erfolgreiche Bewältigung dieser Herausforderung. Betroffene sollten keine Scheu haben, sich professionelle Hilfe zu suchen.
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