Wird Kochsalz chemisch hergestellt?

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Die chemische Industrie nutzt Kochsalz (NaCl) als Rohstoff. Durch Elektrolyse gewinnt man daraus Chlor und Natronlauge. Zusätzlich dient es als Ausgangspunkt für die Herstellung von Soda nach dem Solvay-Verfahren.
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Kochsalz: Rohstoff der chemischen Industrie – natürlich und künstlich?

Kochsalz, chemisch Natriumchlorid (NaCl), ist weit mehr als nur ein Gewürz. Es ist ein fundamentaler Rohstoff für die chemische Industrie, dessen Gewinnung und Verwendung weit über das einfache Streuen auf unsere Speisen hinausgeht. Die Frage, ob Kochsalz “chemisch hergestellt” wird, ist daher komplexer als sie zunächst erscheint.

Die gängige Vorstellung von „chemischer Herstellung“ impliziert oft eine komplexe Synthese aus verschiedenen Ausgangsmaterialien. Das trifft auf Kochsalz aber nur bedingt zu. Der Großteil des industriell verwendeten Kochsalzes wird nicht synthetisch hergestellt, sondern aus natürlichen Quellen gewonnen – vorwiegend durch den Abbau von Steinsalzlagerstätten. Diese Lagerstätten sind uralte, abgelagerte Meere, in denen sich über Jahrmillionen Salz konzentriert hat. Der Abbau erfolgt im Bergwerk oder durch Solegewinnung, bei der Wasser durch Salzlager geleitet wird und das Salz in Lösung bringt. Die resultierende Sole wird dann eingedampft, um das Salz zu gewinnen. Dieser Prozess ist zwar industriell organisiert, aber er extrahiert das Salz aus der Natur und stellt es nicht neu her.

Die “chemische Herstellung” von Kochsalz beginnt erst im eigentlichen Sinne, wenn das aus der Natur gewonnene NaCl als Ausgangsstoff für weitere chemische Prozesse verwendet wird. Hier zeigt sich die wahre Bedeutung des Kochsalzes für die Chemieindustrie. Die Elektrolyse von geschmolzenem oder wässrigem Kochsalz ist ein Paradebeispiel. Dieser Prozess zerlegt NaCl in seine Bestandteile: Chlor (Cl₂) und Natriumhydroxid (NaOH), auch Natronlauge genannt. Chlor ist ein wichtiges Ausgangsmaterial für die Herstellung von PVC, Desinfektionsmitteln und vielen weiteren Produkten. Natronlauge findet breite Anwendung in der Papier- und Zellstoffindustrie, der Seifenherstellung und vielen weiteren Bereichen.

Ein weiterer wichtiger Prozess, in dem Kochsalz eine zentrale Rolle spielt, ist das Solvay-Verfahren. Hier wird aus Kochsalz, Kalkstein (CaCO₃) und Ammoniak (NH₃) Natriumcarbonat (Na₂CO₃), auch Soda genannt, hergestellt. Soda ist ein unerlässlicher Bestandteil in der Glasherstellung, der Waschmittelproduktion und vielen anderen Industriezweigen.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Kochsalz selbst wird im Wesentlichen aus der Natur gewonnen und nicht chemisch synthetisiert. Seine immense Bedeutung für die chemische Industrie liegt aber in seiner Funktion als zentraler Rohstoff, aus dem durch chemische Prozesse wertvolle Zwischen- und Endprodukte gewonnen werden. Die Frage, ob Kochsalz “chemisch hergestellt” wird, sollte daher differenzierter betrachtet werden: Die Gewinnung aus natürlichen Ressourcen ist physikalisch, die darauf aufbauende Weiterverarbeitung aber eindeutig chemisch.