Warum wird der Wasserstrahl zur Folie hin abgelenkt?

Die Anziehungskraft des Unsichtbaren: Warum ein Wasserstrahl zum geladenen Stab abgelenkt wird

Ein dünner Wasserstrahl aus dem Wasserhahn, ein negativ geladener Teflonstab – und plötzlich biegt sich das Wasser scheinbar magisch zum Stab hin. Dieses faszinierende Phänomen illustriert die unsichtbare, aber dennoch starke Wirkung elektrostatischer Kräfte und die besondere Natur des Wassermoleküls.

Wasser (H₂O) ist ein polares Molekül. Das bedeutet, die Ladungsverteilung innerhalb des Moleküls ist ungleichmäßig. Sauerstoff ist elektronegativer als Wasserstoff und zieht die Bindungselektronen stärker an sich. Dadurch entsteht eine partielle negative Ladung am Sauerstoffatom und partielle positive Ladungen an den Wasserstoffatomen. Das Wassermolekül verhält sich wie ein winziger Dipol mit einem positiven und einem negativen Pol.

Bringt man nun einen negativ geladenen Teflonstab in die Nähe des Wasserstrahls, so kommt es zu einer elektrostatischen Wechselwirkung. Die positiven Pole der Wassermoleküle – die Wasserstoffatome – werden vom negativ geladenen Stab angezogen. Diese Anziehungskraft ist stärker als die Abstoßung der negativ geladenen Sauerstoffatome, da diese weiter vom Stab entfernt sind.

Die unzähligen Wassermoleküle im Strahl richten ihre positiven Seiten zum Stab aus und werden von ihm angezogen. Die Summe dieser mikroskopischen Anziehungskräfte führt zur makroskopisch sichtbaren Ablenkung des Wasserstrahls. Je stärker die Ladung des Stabes, desto stärker die Ablenkung.

Dieses Experiment demonstriert nicht nur die Existenz elektrostatischer Kräfte, sondern auch die polare Natur des Wassermoleküls. Wäre Wasser nicht polar, würde keine Ablenkung stattfinden. Diese Polarität ist für viele Eigenschaften des Wassers verantwortlich, die es zu einem so essentiellen Bestandteil des Lebens machen, wie zum Beispiel seine Fähigkeit als Lösungsmittel zu fungieren oder seine hohe Oberflächenspannung. Die Ablenkung des Wasserstrahls durch einen geladenen Stab bietet somit einen eindrucksvollen Einblick in die Welt der Moleküle und ihrer Wechselwirkungen.