Warum kocht Wasser schneller, wenn Salz drin ist?

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Die Anwesenheit von Salz verändert die intermolekularen Kräfte im Wasser. Die erhöhte Bindung an die Ionen verlangsamt zwar die Verdampfung einzelner Moleküle, erhöht aber die durchschnittliche kinetische Energie des Gesamtsystems, was zu einem scheinbar schnelleren Siedevorgang führt. Die Temperaturerhöhung ist dabei jedoch marginal.
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Der Salzeffekt beim Kochen: Schnelleres Sieden – ein Mythos oder eine (kleine) Wahrheit?

Die Behauptung, salziges Wasser koche schneller als reines Wasser, geistert seit langem durch Küchen und Kochbücher. Die gängige Erklärung – Salz erhöht den Siedepunkt – greift jedoch zu kurz und ist sogar teilweise falsch. Tatsächlich kocht salziges Wasser nicht signifikant schneller, sondern der Effekt ist subtiler und hängt von verschiedenen Faktoren ab.

Der scheinbare Geschwindigkeitsvorteil resultiert aus einer komplexen Wechselwirkung zwischen den Wassermolekülen und den gelösten Salzionen (Natrium- und Chloridionen bei Kochsalz). Während reines Wasser aus einem Netzwerk von Wasserstoffbrückenbindungen besteht, werden diese durch die Zugabe von Salz gestört. Die Natrium- und Chloridionen hydratisieren, d.h. sie umgeben sich mit einer Schicht von Wassermolekülen, die an sie gebunden sind. Diese Hydrathülle reduziert die Beweglichkeit der Wassermoleküle in der unmittelbaren Umgebung der Ionen. Man könnte also annehmen, dass dies die Verdampfung verlangsamen würde.

Der entscheidende Punkt liegt in der erhöhten durchschnittlichen kinetischen Energie des Gesamtsystems. Die Zugabe von Salz erhöht zwar den Siedepunkt des Wassers geringfügig (ca. 0,5°C pro 10 Gramm Salz pro Liter Wasser), dieser Anstieg ist für die Praxis eher unbedeutend. Die Energie, die zum Erhitzen des salzigen Wassers benötigt wird, verteilt sich jedoch auf eine geringere Anzahl an tatsächlich freien Wassermolekülen, da ein Teil der Moleküle an die Ionen gebunden ist. Diese verbleibenden, “freien” Wassermoleküle besitzen daher eine im Durchschnitt höhere kinetische Energie. Dies führt zu einer scheinbar schnelleren Bildung von Dampfbläschen am Topfboden, was den Eindruck erweckt, das Wasser siede schneller.

Dieser Effekt ist jedoch nur marginal und wird leicht durch andere Faktoren überlagert. Die Topfgröße, die Herdplatte, die Menge des Wassers und die anfängliche Temperatur spielen eine deutlich größere Rolle für die Kochzeit. Der Unterschied in der Kochzeit zwischen reinem und salzigem Wasser ist für die meisten Anwendungen vernachlässigbar.

Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Behauptung, Salz lasse Wasser schneller kochen, ist eine Vereinfachung. Während die Anwesenheit von Salz die intermolekularen Kräfte im Wasser verändert und zu einer erhöhten durchschnittlichen kinetischen Energie der freien Wassermoleküle führt, ist der beobachtete Effekt so gering, dass er in der Praxis kaum messbar ist. Der leicht erhöhte Siedepunkt wird durch den scheinbaren Beschleunigungseffekt durch die höhere kinetische Energie der freien Wassermoleküle in den meisten Fällen mehr als kompensiert.