Was passiert, wenn der Körper zu lange übersäuert ist?

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Anhaltender Übersäuerung des Körpers wird ein Zusammenhang mit verschiedenen Beschwerden nachgesagt. Dazu zählen die Bildung von Harnsteinen, erhöhte Anfälligkeit für Infektionen, sowie chronische Schmerzen und Entzündungen.

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Die Folgen anhaltender Übersäuerung: Mehr als nur ein saurer Magen

Die Behauptung, eine dauerhafte Übersäuerung des Körpers führe zu diversen Beschwerden, kursiert seit langem. Obwohl der Begriff “Übersäuerung” im Alltag häufig verwendet wird, ist seine medizinische Bedeutung differenzierter und komplexer als gemeinhin angenommen. Eine echte, systemische Azidose – also eine lebensbedrohliche Verschiebung des Säure-Basen-Haushaltes des Blutes – ist selten und wird von spezialisierten Ärzten behandelt. Der umgangssprachliche Begriff “Übersäuerung” hingegen bezieht sich oft auf eine latente Azidose, die sich nicht im Blut, sondern im Gewebe manifestiert und deren Auswirkungen umstritten sind.

Die Rolle des Säure-Basen-Haushaltes:

Unser Körper verfügt über hochentwickelte Mechanismen, um den pH-Wert des Blutes konstant zwischen 7,35 und 7,45 zu halten. Diese Puffer-Systeme neutralisieren Säuren aus Stoffwechselprozessen (z.B. Laktatbildung bei Muskelarbeit) und aus der Nahrung. Eine akute Übersäuerung (z.B. durch starken Durchfall oder ungenügende Atmung) wird vom Körper schnell ausgeglichen. Dauerhafte Abweichungen vom optimalen pH-Wert im Blut sind jedoch sehr selten und lebensbedrohlich.

Die “versteckte” Übersäuerung und ihre vermeintlichen Folgen:

Der Begriff der “latenten Azidose” oder “Zellübersäuerung” wird in der Naturheilkunde verwendet und beschreibt eine vermeintliche Ansammlung von Säuren im Gewebe. Hier wird argumentiert, dass ein ungünstiges Verhältnis von Säure und Base im Gewebe zu verschiedenen Beschwerden führen kann. Die wissenschaftliche Evidenz für diese Zusammenhänge ist jedoch begrenzt. Während manche Studien einen Zusammenhang zwischen einer erhöhten Säureproduktion und bestimmten Erkrankungen – wie Osteoporose – zeigen, belegen sie nicht direkt eine kausale Beziehung.

Mögliche Folgen einer vermeintlichen Übersäuerung (basierend auf naturheilkundlichen Ansätzen und nicht auf gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnissen):

  • Erhöhte Anfälligkeit für Infektionen: Eine leicht saure Umgebung kann das Wachstum von Bakterien hemmen. Eine theoretisch “übersäuerte” Umgebung könnte dieses Gleichgewicht stören und die Immunabwehr schwächen.
  • Chronische Schmerzen und Entzündungen: Entzündungen sind oft mit einer vermehrten Säureproduktion verbunden. Ein ungünstiges Säure-Basen-Gleichgewicht könnte Entzündungen chronisch werden lassen oder verstärken. Dies bedarf jedoch weiterer Forschung.
  • Bildung von Harnsteinen: Eine erhöhte Ausscheidung von Säure im Urin kann die Bildung von Harnsteinen begünstigen. Dies ist jedoch primär mit der Ernährung und dem Stoffwechsel verbunden.
  • Müdigkeit und Leistungsschwäche: Ein gestörter Säure-Basen-Haushalt könnte die Zellfunktionen beeinträchtigen und zu Müdigkeit führen. Auch hier ist die Evidenzlage schwach.
  • Verdauungsstörungen: Ein Ungleichgewicht des Säure-Basen-Haushaltes kann sich auf die Magen-Darm-Funktion auswirken.

Fazit:

Während eine echte systemische Azidose ein medizinischer Notfall ist, ist die Bedeutung einer “latenten Übersäuerung” für die Entstehung von Krankheiten wissenschaftlich nicht ausreichend belegt. Obwohl einige Zusammenhänge plausibel erscheinen, benötigt die Behauptung, dass eine vermeintliche Übersäuerung des Gewebes verschiedene Beschwerden verursacht, weiterführende und solide wissenschaftliche Studien. Bei Beschwerden sollte immer ein Arzt konsultiert werden, um die Ursache abzuklären und eine angemessene Behandlung zu erhalten. Eine gesunde, ausgewogene Ernährung und ein aktiver Lebensstil sind jedoch unbestritten wichtig für die allgemeine Gesundheit und das Wohlbefinden.